Kunst war immer und wird immer sein, solang der Mensch existiert. Und damit meine ich die Menschheit, oder besser noch, jedes vernunftbegabte Wesen. Denn jeder Mensch ist, frei nach Beuys, ein Künstler und die Kunst ist die Triebfeder des sich entwickelnden Geistes.
Nichts, absolut nichts, was die moderne Zivilisation, also der Geist, intellektuell hervorgebracht haben, ist älter als die Kunst.
Vor mehr als hundertausend, vielleicht sogar zweihunderttausend Jahren, hat ein Individuum ein Stück verbranntes Holz oder eine farbige Erde in die Hand genommen und damit auf der Wand seiner Höhle das erste Kunstwerk dieser Welt geschaffen.
Und viele dieser Werke, die älter als vierzigtausend Jahre sind, existieren immer noch. Die modernen Werke versuchen genau das Gleiche abzubilden, was der erste Künstler schon schaffen wollte – einen Moment des Lebens einfangen. Denn das ist es, was den Menschen dazu treibt, Kunst zu schaffen, die Zeit überlisten. Sich die Momente des Lebens immer wieder vor Augen führen können, sich erinnern, die Gefühle nicht vergessen, die den Moment ausmachten. Seien es nun Schöne oder Schreckliche.
Kunst tut weh, regt an, ist unbequem, ist unterhaltend, belustigend, ehrlich und auf keinen Fall passend zu den Kissen des Sofas.
Wenn man nicht weiß, wo man so was zu Hause aufstellen, hinhängen oder irgendwie platzieren soll, aber man trotzdem nicht wegsehen kann, dann ist es Kunst.
Und sollte einmal die Welt wie wir sie kennen, aufhören zu existieren und nur wenige vernunftbegabte Wesen übrigbleiben, eines wird wieder ein Stück Kohle oder farbige Erde nehmen und einen Moment des Lebens einfangen wollen. An der Wand seiner Behausung, was und wo immer das sein wird.
Gerd Boes